Samstag 15.08.2022
Start 10:00 / Ende 13:00 / 34 km
Start 20:30 / Ende 21:00 / 5 km
Au revoir Camping Au Bord de L’Authie
Der Empfang gestern Abend war so unkompliziert und das Gespräch heute beim Zahlen so herzlich, fast wäre ich eine Tag länger geblieben, aber im Zelt bei 35 Grad abzuhängen ist keine Option.

Vom Einpacken und startklar machen komme ich so ins schwitzen, dass ich mich auf den Fahrtwind freue. Viel fahren möchte ich heute vermeiden. Mein Plan für heute ist, in Amiens den Regionalzug nach Rouen zu nehmen und dort am frühen Nachmittag ein Zimmer im Hotel zu buchen und weiter im Blog zu schreiben. Hört sich super an !
Bonjour – den Berg hoch
Runter vom Camping auf die Landstraße. Nur einen Kilometer weiter knickt meine Route ab. Es geht steil hoch. Immer weiter. Und das war erst der Anfang. Ab Puchevillers verläuft die Route auf der D11 bis nach Amiens. Auf der kleinen „Departemental“ Landstraße ist viel Verkehr und es geht immer auf und ab und auf und ab und so weiter. Zum Teil fahre ich nur mit 6 km/h. Bei der Geschwindigkeit wird das Rad wackelig und ich muss aufpassen, nicht in den Randstreifen zu steuern

Selbst als ich die Kirchturmspitze von Amiens sehen kann, liegen noch zwei Kombinationen Rauf/Runter dazwischen. Ich glaube das viele Gepäck macht es extra anstrengend. Es ist noch heiser als gestern und die 100 Kilometer stecken mir in den Knochen.
Nach 35 km – Endlich Amiens
Mittag 13.00. Endlich in Amiens angekommen. In der Innenstadt habe ich mich in die erste Bäckerei gesetzt, Croissants und einen Grand Creme besorgt. Mit dem WiFi aus der Bäckerei lässt sich prima surfen, aber es nütz nichts. Laut SNCF fährt am Samstag der nächste TER erst um 18:30 nach Rouen. Das gleiche Ergebnis auf dem Smartphone. Es gibt in Rouen auch keine freien Hotelzimmer. Egal bei welchem Anbieter ich nachsehe, nix zu machen. Na ja, wird schon sage, ich mir… Damit habe ich aber nicht gerechnet. Spätesten am frühen Nachmittag wollte ich Rouen im Hotel sein, die Beine hochlegen, Blog schreiben.
Im Bahnhof kaufe ich das Ticket für den 18:30 Zug am Schalter. Hauptsache weiter. Bis dahin versuche ich möglichst im Schatten zu bleiben und mir keine Gedanken zu machen, wo ich in Rouen übernachten werden. Das gelingt mir nicht. Meine Laune ist im Keller. Die Hitze ist unerträglich, die Sonne gibt alles. Ich bin müde und will nur schlafen.
Bahnsteig Nummer 2
Um halb sechs flüchte ich aus der Hitze der Innenstadt in den Bahnhof. Genug Zeit hatte ich ja, um zu prüfen, ob mich der Aufzug eine Etage tiefer zu den Gleisen bringt. Da kann nichts schief gehen.
In der Bahnhofshalle treffen drei Reiseradler ein. Zwei Teenager, eine Frau. Wird wohl ein Familienausflug sein, denke ich. Obwohl die Packtaschen sehr nach Camping und ausgiebiger Benutzung aussahen.
Es ist 18:00 als auf der Infotafel das Gleis 2 für den TER angezeigt wird. Ich versuche noch immer eine Unterkunft mit dem Smartphone zu buchen. Es scheint ein bezahlbares und vor allem freies Zimmer in der Nähe vom Bahnhof zu geben, aber der Buchungsvorgang kann nicht abgeschlossen werden. Mehrmals drücke ich den Button „Bestätigen“ in der App. Klappt nicht. Die Zeit rennt.
Ich gebe es auf und schiebe das Rad zum Aufzug. Nur knapp passt das Rad mit dem Gepäck rein. Eine Ebene tiefer merke ich schnell, dass es hier definitiv nicht zum Gleis zwei geht. Retour, wieder einen Stock höher.
Die Familie ist aus der Bahnhofshalle verschwunden. Vielleicht fahren die drei auch nach Rouen und kennen einen geheimen Weg zum Gleis 2 ?
Ich glaube, die Hitze hat mir ordentlich zugesetzt… Das Rad schiebe ich in Richtung Gleis, aber da sind nur Treppen und eine Rolltreppe die nicht funktioniert. Wie soll ich da runter kommen ? Alles tragen ?
Auf dem Gleis stehen die drei Reiseradler von eben. Dann sehe ich eine kleine Schiebestrecke neben der Treppe. Das Rätsel habe auch ich gelöst und bugsiere das Rad vorsichtig runter. 50 kg drücken ordentlich nach untern. Mein Blutdruck ist bestimmt jenseits von Gut und Böse.
Auf dem Bahnsteig komme ich mit der Radlerin ins Gespräch, erzähle von meiner Situation und werde prompt zur Übernachtung eingeladen !! Kaum zu glauben. Ist mir noch nie passiert. Ein paar Sekunden rauscht es nur im Kopf. Weiß nicht, was ich sagen soll. Mit einem Schlag sind meine Sorgen verschwunden. Auf der Zugfahrt erzählt mit Anne davon, dass Sie eine zwei Jahre lange Radreise von Nord- bis Südamerika gemacht hat und oft eingeladen wurde. Das gibt sie jetzt bei wenn sich eine Gelegenheit bietet zurück. Was für ein glücklicher Zufall sie in Amiens zu treffen.
Bei Anne und Ricardo
In Rouen holt uns Ricardo, der Mann von Anne am Bahnhof ab. Mit den Kinder, dem Gepäck und zwei Rädern fahrt Ricardo im Auto voraus. Anne und ich ohne Gepäck auf den Rädern hinterher. Nochmal in die Pedale treten. es geht knackig den Hausberg von Rouen, den „Mont-Saint-Aignan“ hoch. Tolle Aussicht, aber ein Foto mache ich nicht. Schade eigentlich. Nach fünf Kilometern sind wir am Ziel. Endlich absteigen.
Der Empfang war herzlich. Ich fühlte mich sofort wie zu Hause und konnte direkt unter die Dusche. Später haben wir zusammen Pizza gegessen und uns in einer Mischung von Französisch und Englisch unterhalten. Mit mir war am Abend leider nicht viel anzufangen und von der Runde habe ich mich bald verabschiedet. Obwohl es noch viel mehr zu erzählen gegeben hätte, fielen mir die Augen. Ich bin im Bett sofort eingeschlafen.